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Düsseldorf und die Königsallee mit ihren Modehäusern, Salvador da Bahia und seine afrobrasilianische Tempel; Justin Timberlake, Josephine Baker, Xangô: Thomas Meinecke begibt sich auf die Spuren von Popstars, Göttern und deren Doubles:


Verschleierte weibliche Schönheiten aus den Emiraten Arabiens verlassen, mit großformatigen Einkaufstaschen diverser Modehäuser behängt, das Gucci-Geschäft und bummeln, von ihren ungeschlacht wirkenden Ehemännern in europäischer Sportswear flankiert, an Serge Gainsbourg vorbei. Das Make-up ihrer Augenpartien strotzt vor Elaboriertheit. Exklusives Schuhwerk blitzt unter den Säumen ihrer langen schwarzen Gewänder auf. Bei einer besonders Anmutigen erweist sich sogar die Unterseite ihrer Sandalen als in Leopardenoptik gehalten, desgleichen die hohen Stiletto-Absätze, die wie mit Bernstein und silbernem Geschmeide besetzt aussehen. (Schuhe wie vom Juwelier.)

Eine teuer gekleidete, blasse, unvorstellbar hagere, dennoch erkennbar schöne Frau von Anfang 30 Jahren zieht schwerfällig ihren champagnerfarbenen Boardcase über die Schwelle des Starbucks. Holt sich drinnen einen Kaffee, schafft es kaum, die Tür zu öffnen, als wieder herauskommt (als sie hineinging, hatte sie ihr ein Mitarbeiter aufgehalten), nimmt allein an einem Tisch auf dem Boulevard Platz, klappt ihr mobiles Telefon auf und ruft diverse Bekannte an, daß sie wieder in der Stadt, soeben vom Flughafen angekommen sei. Regionaler Tonfall bei internationaler Ausstrahlung. (Heine befand, in der Sprache der Düsseldorfer merke man schon einen Übergang in das Froschgequäke der holländischen Sümpfe.) Serge, eigentlich in Benjamin Mosers Biographie der brasilianischen Schriftstellerin Clarice Lispector (who looked like Marlene Dietrich and wrote like Virginia Woolf) vertieft, vermag seinen Blick nicht von der Frau abzuwenden. Verstohlen beobachtet er, wie sie gleichzeitig telephoniert, ihren Cappuccino schlürft und ein mit Schokolade gefülltes Croissant verspeist. Ihre Bewegungen sind graziös, doch ihre Schultern und Arme scheinen aus nichts als Haut und Knochen zu bestehen. Auch ihre langen Ober- und Unterschenkel. Serge fragt sich: Warum trägt sie ein so ausnehmend kurzes, zudem noch ärmelloses Kleid? Und findet: Sie läuft ja wie ein stummer Protestschrei durch die Gegend.

aus: Thomas Meinecke, Lookalikes, Suhrkamp Verlag 2012, S.145