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Der Schweizer Schriftsteller und Filmemacher Matthias Zschokke war mit seinem Buch Maurice mit Huhn zweimal in Düsseldorf zu Gast. Im Jahr 2011 veröffentlichte der Wallstein-Verlag unter dem Titel Lieber Niels hunderte von E-Mails, die Matthias Zschokke an seinen Freund schrieb. Darin reflektiert er über Bücher, Filme, Theaterstücke und schildert den schweizer und deutschen Kulturbetrieb aus seiner subjektiven Sicht.

7.10.06

In Düsseldorf werde ich in Heinrich Heines Geburtshaus auftreten und danach zwei Etagen höher auch übernachten. Das ist offenbar das Literaturhaus. Zum ersten Mal fühle ich mich durch so eine Tatsache geehrt. (Auf Goethes Haus würde ich mich weniger freuen, zumal er ja, sozusagen, in jedem zweiten seine Duftmarke gesetzt hat.)

31.05.08

Die Lesung war düsseldorfsch. Diesmal im Heine-Institut, das noch ernster und tötender ist als das Heinehaus. Zuhörer etwa fünfzehn. Fünf davon sind eingeschlafen. (Ohne Witz! Es war drückend schwül im Raum, fensterlos, ich las hypnotisierend langweilig, die Zuhörer waren Heinegesellschaftsmitglieder in fortgeschrittenem Alter. Sie schliefen einfach ein.)

Aber die Stadt hat mich begeistert. War ja erst das zweite Mal dort und hatte es bisher nie bis an den Rhein geschafft. Diesmal hatte ich mit Fritz Schediwy am Ufer ausgemacht (wollte ihn treffen um zu erfahren, ob er im September allenfalls mitmachen könnte im Film). Er wohnt direkt neben dem Turm am Burgplatz. Kennst du den? Direkt am Fluss, an der Rheinpromenade. Wir trafen uns im Café vor seinem Haus, mit Blick auf die Lastkähne und den Weltstrom. Grandios bei diesem eigenartig silbriggleißenden Dunstlicht – es war gewittrig gestern. Der Flug hatte eine Stunde Verspätung wegen der rheinischen Unwetter. Ich kam knapp an, saß mit ihm in diesem Dampf und schaute den Schiffen zu, trank Mineralwasser und fühlte mich an der Riviera. Danach aß ich rasch allein eine Pizza und ging zur Lesung. Heute früh ging ich noch in den Industriehafen. Hast du den mal gesehen? Neben dem Fernsehturm? Das ist das, was Hamburg und Berlin gern erreichen würden. Reinstes New York. Danach wieder bei Heinemann frühstücken (von dem auch Ratzinger schon eine Torte entgegengenommen hat – mit Foto dokumentiert.). Gut wie Sprüngli. Dann die Königsallee auf und ab – so geldschwer wie die Madison Avenue. Dagegen ist die Zürcher Bahnhofstraße ein armseliges Gässlein. Ich finde, wer Geld hat, sollte heute eher als nach Rom oder Paris ein Wochenende nach Düsseldorf reisen.

Um eins dann auf den Flughafen. Von der Stadt in einer Viertelstunde zu erreichen – komfortabel und luxuriös.

Nur die Leute haben mir insgesamt wenig gefallen. Sie waren eigenartig kalt, verschlossen, unfreundlich. Es ist blöd, zu verallgemeinern, aber die Kälte häufte sich. Kellner, Leute auf der Straße, am Flugschalter, bis zu den Gästen im Flugzeug und zu den Stewards und Stewardessen – alle eigenartig unnahbar, abweisend.

Aber sonst: Nie mehr Pisa, nur noch Düsseldorf.

1.6.08

... Das Lesen geht inzwischen zwar relativ gut. Ich komme fünf Minuten vor Beginn an, schaue stoisch in die verstörten Gesichter der Organisatoren, die sich wundern über die leeren Stuhlreihen (in Düsseldorf hörte ich eine der fünf Vorstadtvillenbewohnerinnen ausrufen „Das habe ich ja noch nie erlebt, da ist ja kein Mensch, alles leer, was ist das denn?“), lese meine Sachen rezitatorisch schlank, minimalistisch, wage zwischendurch sogar manchmal aufzuschauen und den Zuschauern einen Blick zu schenken (oder doch so zu tun als ob), antworte am Ende freundlich auf jede Frage – all das geht. (...)

2.6.08

(...) Das Essen war in Livorno gleich teuer wie hier. (In Düsseldorf übrigens fand ich es erstaunlich günstig. Die Düsseldorfer Geldsäcke sind offenbar knallharte Kunden und weigern sich, für ihr Frühstück bei Heinemann die Euro-bedingte Verdoppelung des Preises zu akzeptieren. Es war alles eindeutig günstiger – und besser – als in Berlin.)

aus:

Matthias Zschokke, Lieber Niels, Wallstein Verlag Göttingen, S. 301, S. 575, S. 576 und S. 577.