In der Erzählung „Rosa Schwarzer findet zurück ins Leben“ des spanischen Autors Enrique Vila-Matas spielt nicht nur der Düsseldorfer Hofgarten bei trübem Wetter, sondern auch das berühmte Gemälde „Der schwarze Fürst“ von Paul Klee aus der Kunstsammlung eine Rolle: Die des Lebens müde Protagonistin arbeitet in dem Museum am Grabbeplatz als Aufseherin:
In der Tiefe jenes Düsseldorfer Museums, auf einem schlichten Stuhl in einem ungemütlichen Winkel, wohin es sie seit Jahren verschlagen hat, dort, im letzten, verstecktesten der Räume, die Klee gewidmet sind, kann man heute morgen Rosa Schwarzer sehen, die tüchtige Aufseherin, die verstohlen gähnt, während sie gleichzeitig leicht beunruhigt ist, denn schon seit einer Woche dringt durch das Prasseln der Regentropfen hindurch, die auf den Museumsgarten niederfallen, der verlockende Ruf des schwarzen Fürsten aus dem Bild „Der schwarze Fürst“ zu ihr, und er lockt sie mit dem hochfahrenden Klang seiner Trommeln, zu ihm in die Leinwand zu kommen und sich dort zu verirren, in seiner Heimat, im Land der Selbstmörder.
Ich weiß, daß Rosa Schwarzer bei dem verzweifelten Versuch, dem Einfluß des Fürsten zu wehren sowie seinem verführerischen Vorschlag, Museum und Leben hinter sich zu lassen, mit ihren Blicken endlich bei den zarten Rosenfarben von „Monsieur Perlenschwein“ Zuflucht sucht, einem weiteren Bild in diesem Saal, den sie so sorgsam bewacht und wo jemand, der es jetzt wagen sollte, einzudringen, sich einer pflichtbewußten Aufseherin gegenübersähe, die ihr Gähnen sofort unterbrechen, sich erheben und den Eindringling bitten würde, wegen des hochempfindlichen Alarmsystems weder Monsieur Rosa noch Herrn Schwarz zu nahe zu kommen.
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Um zwei Uhr nachmittags gingen sie immer noch spazieren. Sie waren in keinem Supermarkt gewesen und auch in keinem Lokal, obwohl er es vorgehabt hatte. Sie stolperten über das Pflaster eines Viertels, das schon nicht mehr ihr eigenes war, und näherten sich dem Hofgarten, weit weg von der alltäglichen Umgebung und auch von Kneipen uns Supermärkten. Er wirkte in sich gekehrt und vor allen Dingen müde, als würde er gleich in Ohnmacht fallen oder an der nächstbesten Ecke einschlafen, aber er zeigte weiterhin eine gewisse Aufmerksamkeit, wenn Rosa Schwarzer sprach und ihm zum Beispiel erzählte, daß sie hier im Hofgarten vor dreißig Jahren ihren armen, unglücklichen Mann kennengelernt hatte. Schließlich setzten sie sich auf eine steinerne Bank am Eingang des Parks.
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Das Glück tötet, und diese Selbsttöter ahmen nicht das Unnachahmliche nach, sondern das Nichtvorhandene, denkt Rosa Schwarzer, und sie besinnt sich darauf, daß auch das Unwirkliche unangenehm ist. Denn trotz der strahlenden Schönheit des Fürsten, des brennenden blauen Rauchs und des blendenden Landes, indem sie sich befindet, fühlt sie sich allmählich unwohl in dieser unverständlichen Kultur, an diesem geheimnisvollen, fernen Ort, wo man den Tod zelebriert. Als habe er ihre Gedanken gelesen, erklärt ihr der Fürst, nachdem er bedauert hat, daß sie den Glanz der Sterne nicht zu schätzen wußte, die ihr zu Ehren ein Feuerwerk am alten, eisigen Himmel ihrer Heimat entfachen, daß sie ihre Reise nur rückgängig machen könne, wenn sie den brennenden Rauch aus der Heimat der Selbstmörder einatme. Einen hochgiftigen Rauch.(…) Niemand hat diese Blitzreise gesehen. Und rosa Schwarzer, die pflichtbewußte Aufseherin, öffnet ihre Augen weit, nimmt, noch etwas benommen, wieder Haltung an und stellt fest, daß alles beim alten geblieben ist. Oder besser gesagt, fast alles, denn der verliebte Lockruf und das ständige Tamtam der Selbstmörder sind nicht mehr zu hören. Unbeweglich sind jetzt das Schwarz des Fürsten und das Rosa des Monsieur. Im Grunde ist alles in perfekter und trister Ordnung. Mit einem Gefühl von Bitterkeit, im Grunde jedoch auch sehr erleichtert, spürt Rosa Schwarzer, daß sie wieder in das Grau ihres Lebens versunken ist und daß sie sich wohl fühlt, als habe sie verstanden, daß wir letztlich – ich will es mit den Worten des Dichters sagen – nicht wissen, ob in Wahrheit die Dinge nicht besser so sind: absichtlich kärglich.
Enrique Vila-Matas, Rosa Schwarzer findet zurück ins Leben, aus: Ders., Vorbildliche Selbstmorde. Erzählungen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1995, S. 46 ff.