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In ihren Erzählungen ist die Autorin, die von 1992 - 1996 am Fürstenwall 163 lebte, unterwegs zwischen Orten, Städten und Ländern und kommt dabei an Orten wie „ihrem Hauptbahnhof“ Düsseldorf oder ihrer Wohnung an. Ihre Beobachtungen verwebt sie mit Erinnerungen an Menschen, Bilder, Situationen, Gespräche, Kindheit, Leben und Tod. So begibt sie sich in ihren Gedanken auf eine Reise mit ganz persönlichen Bildern und einer ganz eigenen Sprache.

"Ich stellte den Kassettenrekorder an und meine Mutter machte am Telefon nach, wie sie geschrieen hatte, als sie mich geboren hatte. Dann lachte sie genauso lange, wie sie vorher geschrieen hatte: „Du hättest eigentlich ein Junge werden müssen, du hast nur mit den anderen Jungen unter den Brücken gespielt, und dein Bruder hat mir beim Kochen geholfen. Wenn wir dich gelassen hätten, hättest du sogar unter den Brücken geschlafen.“

Auch in dieser Stadt liebe ich die Brücken. Ich laufe über sie zur anderen Seite der Stadt hinüber und halte meinen Rock fest. Auf der anderen Seite des Flusses wohnte Joseph Beuys.

Auch diese Brücken sind ein Teil meines persönlichen Stadtplans, wie auch Heinrich Heines Geburtshaus, das Bambi-Kino und der Hauptbahnhof. Wenn man in der Bahnhofshalle in einem Café sitzt, rennen vor einem Menschen als Masse, zu den Zügen. Sie sehen so aus, als ob sie unter ihren Füßen ein elektrisches Laufband vorantrüge. Dann ist alles leer, und man sieht nur ein paar Penner, die als Gruppe Bier trinken. Dann beginnt wieder das Band zu laufen und trägt die Massen in entgegengesetzte Richtung."

aus:

Emine Sevgi Özdamar, Der Hof im Spiegel, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005, S. 21